Essener Philharmoniker
Essener Philharmoniker
Sinfoniekonzert II

„Oh To Believe in Another World“

Werke von Igor Strawinsky, Dmitri Schostakowitsch
Film von William Kentridge
Veranstalter: Eine Kooperation der Essener Philharmoniker mit dem Museum Folkwang
Termin
Donnerstag 25. September 2025
Freitag 26. September 2025
Hinweise
19:00 Konzerteinführung
Essener Philharmoniker
Dirigent
Andrea Sanguineti
Igor Strawinsky
"L'oiseau de feu" (Der Feuervogel) - Konzertsuite Nr. 2 (1919)
William Kentridge
Film "Oh To Believe in Another World" zur Sinfonie Nr. 10 von Dmitri Schostakowitsch

Beschreibung

Ein Film von William Kentridge, Werke von Dmitri Schostakowitsch und Igor Strawinsky

William Kentridge trifft Dmitri Schostakowitsch - eine Begegnung, der das Essener Publikum in einem außergewöhnlichen Konzert beiwohnen wird. Inspiriert von der Biografie Schostakowitschs produzierte der südafrikanische Künstler William Kentridge im Jahr 2022 den Film "Oh To Believe in Another World" als visuelle Erweiterung der 10. Sinfonie. Nun bringen die Essener Philharmoniker dieses multimediale Konzertereignis erstmals nach Deutschland.

Die Aufführung findet in Kooperation mit dem Museum Folkwang statt, das dem Künstler anlässlich seines 70. Geburtstags ab September 2025 die Ausstellung "William Kentridge. Listen to the Echo" widmet. Das Kooperationsprojekt bringt die beiden Institutionen der Stadt auf kreative Weise zusammen und ermöglicht neue Blicke auf den Künstler und den Komponisten.

Weitere Informationen

Interview mit Dr. Tobias Burg, Kurator der Ausstellung „William Kentridge. Listen to the Echo“
Dr. Tobias Burg, Kurator der Ausstellung „William Kentridge. Listen to the Echo“ spricht mit Dramaturgin Savina Kationi über den vielseitigen Künstler William Kentridge, seinen Film „Oh To Believe in Another World“ und die Rolle der Kunst in herausfordernden Zeiten

Welchen Stellenwert hat das Werk von William Kentridge in der Kunst des 21. Jahrhunderts? Wie lässt sich Kentridge einordnen?

William Kentridge ist ein außergewöhnlich vielseitiger Künstler. Mitte der 1970er Jahre hat er als Zeichner und Druckgrafiker begonnen, interessierte sich aber ebenso für das Theater: Er schrieb Theaterstücke und hat sich auch als Schauspieler versucht. Daneben schuf er aber auch die Werbeplakate für die Aufführungen. Schließlich entschied er sich doch für die Kunst, gab aber die anderen Interessen nie auf. Die familiäre Prägung hat seine Kunst trotzdem beeinflusst. Er ist ein weißer Südafrikaner, Spross einer jüdischen Einwandererfamilie, die aus Litauen stammt. In Südafrika hatte sich schon sein Großvater, Morris, politisch engagiert. Seine Eltern haben sich als Anwälte für Apartheid-Gegner eingesetzt – darunter Nelson Mandela. Sydney Kentridge, dem Vater von William, ist es in den 1950ern als Verteidiger in einem legendären Prozess gelungen, dass Mandela und über 150 weitere Mitangeklagte freigesprochen wurden. Diese auch durch das Engagement der Eltern vorgelebte Haltung, trotz der privilegierten persönlichen Situation die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft nicht einfach zu akzeptieren, hat Kentridge schon früh geprägt.

Was ist das Thema des Films „Oh To Believe in Another World“?

Thema des Films ist die Biografie Schostakowitschs und die Frage, wie man sich als Künstler in einem Regime entfalten kann, das einem zwiespältig gegenübersteht. Schostakowitsch erhielt zwar große Anerkennung seitens der Sowjetregierung (u. a. hat er zwischen 1941 und 1952 mehrfach den Stalinpreis gewonnen), aber „Die Nase“, seine erste Oper, wurde 1930 durch die Behörden rasch vom Spielplan genommen. Er hat eine Zeitlang täglich damit gerechnet, verhaftet zu werden. Diese Ambivalenz in seinem Verhältnis dem Staat gegenüber ist der historische Background für den Film.

Man kann allerdings nicht von „Film“ per se sprechen, oder? Sind es Animationen, animierte Folgen von Zeichnungen, eine Collage?

Wenn man von Film spricht, denkt man sofort an einen Kinofilm und das ist es sicherlich nicht. Es ist eher eine filmische Collage in vier Teilen, korrespondierend mit den vier Sätzen der Sinfonie. Schauspieler*innen treten auf, die Porträtfotografien wie Masken vor sich halten, um sich in historische Personen zu verwandeln – nicht zuletzt auch Stalin und Schostakowitsch. Man hat den Eindruck, einer Theateraufführung beizuwohnen, auch deshalb, weil die verschiedenen Schauplätze des Films in kleinem Format aus Papier und Kartonage gebaut wurden – darunter ein Konzertsaal, ein Kunstmuseum und ein ausgedientes Hallenbad. In diese Szenerie wurden die Schauspieler*innen digital hineinmontiert. Hinzu kommen historische Originalaufnahmen, etwa Schostakowitsch am Klavier, aber auch Ausschnitte aus sowjetischen Propagandafilmen. Die Szenen wechseln manchmal sehr abrupt, der Bezug zur Musik bleibt aber immer bestehen.

Warum gerade Schostakowitsch? Was faszinierte ihn an der russischen bzw. sowjetischen Avantgarde?

Kentridge interessiert sich für die Diskrepanz zwischen dem utopischen Anspruch „Wir bauen eine neue Gesellschaft, mit uns zieht die neue Zeit“ und dem Unterdrückungsapparat, der bald etabliert wurde, um diese Gesellschaft gegen alle Widerstände durchzusetzen. Ab wann ist die Utopie der „Neuen Gesellschaft“ nur noch eine Propagandabehauptung der neuen Machthaber *innen? Diese Themen interessieren Kentridge, der immer wieder danach fragt, welchen Einfluss die gesellschaftlichen Umstände auf das Leben der Menschen hat.

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Ursprünglich war es nicht Igor Strawinsky, der für die Komposition des „Feuervogel“-Balletts von Sergej Diaghilew und den Ballets russes vorgesehen war, sondern der St. Petersburger Harmonielehre-Professor Anatoli Ljadow. Erst als sich zeigte, dass dieser das Stück nicht zeitgerecht hätte fertigstellen können, kam Diaghilew auf den 27-jähringen Strawinsky zu. Eine wahrhaft folgenreiche Entscheidung, denn die Premiere des „Feuervogels“ („L’oiseau de feu“) 1910 im Pariser Théâtre National de l’Opéra ebnete nicht nur den Weg für eine jahrelange Zusammenarbeit Strawinskys mit den Ballets russes – aus der auch die legendären Partituren von „Petruschka“ und „Le sacre du printemps“ hervorgehen sollten –, sondern machte den Komponisten sozusagen über Nacht berühmt.
Gefördert mit Mitteln aus der Lotterie "PS-Sparen und Gewinnen" der Sparkasse Essen und dem Freundeskreis Theater und Philharmonie Essen e. V. sowie von der Kulturstiftung Essen