Oper „Dogville“ und VR-Produktion „Die Wand (360°)“ mit dem Theaterpreis „DER FAUST“ ausgezeichnet

Theater und Philharmonie Essen freut sich mit Regisseur David Hermann (Oper „Dogville“ am Aalto Musiktheater) sowie Regisseur Thomas Krupa und VR-Artist Tobias Bieseke (VR-Film „Die Wand (360°)“ am Schauspiel Essen)
Regisseur David Hermann bei der Verleihung des Theaterpreis DER FAUST im Hamburger Thalia Theater.
Die Theater und Philharmonie Essen darf sich über die Verleihung von gleich zwei Theaterpreisen DER FAUST freuen: Am vergangenen Samstagabend erhielten im Thalia Theater Hamburg sowohl Regisseur David Hermann für seine Inszenierung der 2023 am Aalto Musiktheater uraufgeführten Oper „Dogville“ von Gordon Kampe als auch Regisseur Thomas Krupa und VR-Artist Tobias Bieseke für ihren 2022 unter der Intendanz von Christian Tombeil am Schauspiel Essen entstandenen VR-Film „Die Wand (360°)“ die renommierte Auszeichnung.

In der Jury-Begründung zur Auszeichnung von David Hermann heißt es: „In enger Zusammenarbeit mit seinem Team Jo Schramm und Tabea Braun schafft David Hermann das Vexierbild einer Gesellschaft, hinter deren Fassade bürgerlichen Anstands sich zunehmend Abgründe auftun. Dabei gelingt es ihm, die zahlreichen Figuren, denen sich Hauptfigur Grace auf ihrem Passionsweg in eine dunkle Welt der Ausbeutung und Demütigung ausliefert, intensiv, präzise und detailreich zu zeichnen. Die albtraumhafte Erzählung entfaltet eine starke Sogwirkung und kulminiert in einem großen effektvollen Finale.“

Über die Oper „Dogville“:
Bei dem titelgebenden Dogville handelt es sich um einen fiktiven, abgeschiedenen Ort irgendwo in den Bergen, ein in sich geschlossener Kosmos. Nur Tom Edison hat hier so etwas wie Ambitionen. Der Alltag wird durchbrochen, als eines Tages die junge Grace, die vor Gangstern auf der Flucht ist, um Asyl bittet. Widerwillig gewährt man ihr Unterschlupf. Tom erwirkt schließlich, dass Grace sich bewähren darf, indem sie für alle Dorfbewohner*innen niedere Dienste verrichtet. Zum einen will er seinen Mitbürger*innen damit eine Lektion in Sachen Moral erteilen, zum anderen hat er sich in Grace verliebt und will sie in seiner Nähe behalten. Der Plan scheint zunächst aufzugehen, doch allmählich kippt die Stimmung in Dogville. Grace wird zunehmend erniedrigt und gedemütigt, muss sich in ihrer Not jedoch auf alles einlassen. Schließlich gibt es aber doch noch eine überraschende Lektion in Sachen Moral.

Mit Gordon Kampes „Dogville“ (Premiere: 11. März 2023) präsentierte das Aalto Musiktheater erstmals seit 15 Jahren wieder eine Uraufführung. Das Libretto basiert auf dem gleichnamigen, mehrfach ausgezeichneten Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier aus dem Jahr 2003. Die Musikalische Leitung hatte Tomáš Netopil. Gordon Kampes fesselnde Neukomposition emanzipiert sich von Lars von Triers Film, indem darin ein deutlicher Fokus auf die Figur der Grace gelegt wird. Die Musik gibt Einblick in die menschliche Psyche und konfrontiert das Publikum mit dem Unsagbaren der archaischen Stoffvorlage. Auch Regisseur David Hermann konzipiert seine Inszenierung als Leidensweg der Grace, der am Ende zur Katastrophe führt. Lars von Triers minimalistisch-distanzierter Filmausstattung begegnet Bühnenbildner Jo Schramm mit einem Bühnenraum, der die sich zuspitzende und sich immer weiter dramatisierende Situation der Protagonistin Grace nachvollziehbar macht. Für seine Arbeit erhielt er eine Nominierung zum diesjährigen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie "Raum".
Tobias Bieseke (VR-Artist) und Thomas Krupa (Regisseur) nach der Verleihung des Theaterpreis DER FAUST im Hamburger Thalia Theater
"Zieht man sich die VR-Brille und die Kopfhörer über, ist man da ebenso ‚plötzlich‘ in diesem Tiny House; wohnt ‚plötzlich‘ dieser Frau bei, die sich unmittelbar vor den eignen Augen nach und nach in ihrer Einsamkeit einrichtet, ums Überleben kämpft und schließlich mit der Natur symbiotisch verbindet. Wir schauen uns um –, richten uns ebenfalls ein, sind in dieser Isolation schutzlos – und so wird ‘Die Wand (360°)‘ zu einem grandiosen doppelten Spiel, in dem sich der Inhalt der Romanvorlage mit dem gewählten Erzählformat ständig neu spiegelt und kommentiert. Der Produktion ist anzumerken, mit wieviel Spaß an der Erkundung dieses innovativen Formats sie entwickelt, wie detailreich sie erdacht und umgesetzt wurde. Es gibt kein Backstage – alles kann gesehen und erkundet werden. Regie, Schauspiel, Bühnenbild, Ausstattung und Soundscape verweben sich zu einem beeindruckenden Gesamterlebnis“, so die Jury in ihrer Begründung zur Auszeichnung für Thomas Krupa und Tobias Bieseke.

Über die VR-Produktion „Die Wand (360°)“
Der Virtual Reality-Film „Die Wand (360°)“ nach dem Roman von Marlen Haushofer (Regie: Thomas Krupa) ist bereits die zweite VR-Arbeit am Schauspiel Essen (VR-Premiere am 2. September 2022). Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine namenlose Frau (Floriane Kleinpaß), die bei einem Wochenendausflug im Wald plötzlich von einer unsichtbaren, undurchdringlichen und endlosen Wand umgeben ist. Ihr Versuch, im Einklang mit ihrer natürlichen Umwelt zu (über-)leben, wird mit den Mitteln der Virtual Reality (VR-Artist Tobias Bieseke) zu einem sinnlich spürbaren Erlebnis. Denn mithilfe von 360°-Aufnahmen, 3D-Klang und via VR-Brille werden die Zuschauenden zu Teilnehmenden und sind ungewöhnlich nah dran am Kampf der auf sich allein Gestellten mit Klima und Wetter, mit Erinnerungen und Ängsten.

Gefördert wurde das VR-Projekt von der Brost-Stiftung. In Kooperation mit collective archives.