Schauspiel Essen — Spielzeit 2025/2026

Neues Deutsches Theater

Liebes Publikum,

willkommen zur neuen Spielzeit 2025/2026 am Schauspiel Essen!
Es ist mir eine große Freude, Sie in eine Spielzeit einzuladen, in der sich das Schauspiel mit einem klaren Bekenntnis neu aufstellt:
Resistance
Neues Deutsches Theater
Wir leben in einer Zeit, in der gesellschaftliche Spannungen zunehmen und demokratische Errungenschaften brüchig erscheinen. Für uns als Theater bedeutet dies, dass künstlerische Wachsamkeit gefragt ist. Deshalb ist unser Motto in diesem Jahr ein Statement und eine Einladung zugleich.

RESISTANCE ist dabei nicht nur politisch zu verstehen – es ist existenziell, poetisch, mal leise, mal laut, aber immer Ausdruck eines Willens, die Realität nicht einfach hinzunehmen.
Dieses Motto erinnert uns daran, dass Theater nicht nur Spiegel einer Gesellschaft, sondern auch eine Stimme sein kann. Widerständigkeit bedeutet für uns Haltung: gegen das Vergessen, gegen Gleichgültigkeit, gegen das Verstummen.
Das „Neue Deutsche Theater“ dieser Spielzeit öffnet Räume für Regisseur*innen und Autor*innen, die durch ihre Inszenierungen und Texte das Jetzt verhandeln – vielschichtig und dringlich.

Wir starten in unsere neue Spielzeit am 19. September im Grillo-Theater mit der Uraufführung von Angst und Schrecken in Mykene, einer Antikenbearbeitung des Autors und Regisseurs Felix Krakau, der den Aufstieg und Untergang der antiken Stadt Mykene mit Figuren und Motiven aus Stücken von Aischylos, Seneca, Homer und eigenen Texten nachvollzieht und danach fragt, ob Geschichten immer von den Gewinner*innen, von den sogenannten Held*innen erzählt werden müssen, oder gerade die weniger prominenten Stimmen Wichtiges zu sagen haben.
Ein Text, der den Übergang von der Blutrache zur Rechtsprechung markiert. Eine Tour de Force über Macht, Unterdrückung, Widerstand und Neubeginn.

Gleich danach bringt die junge Regisseurin Alina Fluck zwei Texte von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in der ADA zur Premiere: Am Königsweg/Endsieg. Sprachmächtig seziert Jelinek den Aufstieg autoritärer Führungsfiguren und den politischen Diskurs.

Im Oktober feiert Samuel Becketts Endspielin der Regie von Emel Aydoğdu, Co-Leiterin des Jungen Theaters Wiesbaden, Premiere im Grillo-Theater. Das dramatische Meisterwerk aus dem Jahr 1956, welches die existenziellen Themen der Absurdität, Einsamkeit und das Ende des Lebens behandelt angesichts der atomaren Bedrohung der Menschheit, erweitert unsere Reflexion über Widerstand. Denn was bedeutet Widerstand in einer Welt, in der alles stillzustehen scheint? Emel Aydoğdu findet in der Absurdität eine humorvolle Form des Aufbegehrens gegen das Verstummen, gegen das Ende.

Im Oktober findet auch die Uraufführung des Augmented-Reality-Projektes Memories of Snow in der ADA statt, bei dem Technologie und Erzählung verschmelzen und das Publikum innovative, zukunftsträchtige, theatrale Kunst durch eine META Quest 3-Brille erleben darf. Die Autorin Teona Galgoţiu, Regisseur Roman Senkl und das Team von minus.eins.labs nehmen ihr Publikum mit auf eine Reise durch digitale Orte, die Cali – die zentrale Figur der Geschichte – geschaffen und hinterlassen hat. Die Teilnehmenden tauchen tief ein in Calis gesammelte Erinnerungen an ihren Alltag, ihre Familie, ihre Liebe und die Ängste einer Welt, in der die drohende Apokalypse allgegenwärtig ist – humorvoll, unsentimental und sehr berührend. Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Brost-Stiftung, die dieses Experiment ermöglicht hat.

Im Stadtraum wenden wir uns mit der Produktion Lebendige Stolpersteine“, ein Projekt von Sapir Heller, dem Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens in Essen zu. Regisseur Dor Aloni wird mit einem Teil des Ensembles diesen theatralen Gang durch die jüdische Geschichte Essens, in Kooperation mit der Alten Synagoge Essen, am 09. November zur Premiere bringen.

Unser junges Publikum darf sich ab November auf einen besonderen Kinderbuch-Klassiker freuen: Pinocchio ist in diesem Jahr unser Familienstück. Regisseur Henner Kallmeyer und sein Team nehmen uns mit auf eine bildstarke abenteuerliche Reise eines jungen Menschen, entlang von Wahrheit und Lüge und der Suche nach dem eigenen Kern – ein Plädoyer für Mut, Ehrlichkeit und Phantasie.

Die ersten Produktionen sind unser Aufschlag für eine Spielzeit, die Fragen stellt, ohne schnelle Antworten zu liefern. Wir möchten an das anknüpfen, was das Theater schon immer war: ein Ort der Auseinandersetzung und ein Ort des Widerstands. Gegen Gleichgültigkeit. Gegen Sprachlosigkeit. Gegen das Vergessen.

Ich lade Sie herzlich ein, ein Teil davon zu sein und freue mich auf den Austausch mit Ihnen!
Selen Kara
Intendantin des Schauspiel Essen